Workshop: »Foul! Ästhetiken und Performanzen fußballerischen Fehlverhaltens«
Rempeln, Schlagen, Stoßen, Anspringen, Treten, Halten, Beinstellen, Bedrängen – was im Fußball als Foul verstanden wird, sind Reibungen und Kollisionen zwischen Körpern, die nicht selten physische Spuren hinterlassen. Fouls ziehen Spielerkörper in Mitleidenschaft, brechen Unversehrtheiten auf, können schwächen und außer Gefecht setzen. Sie haben nicht nur Konsequenzen für den Einzelnen, sondern beeinträchtigen auch Mannschaften und Spiel: Indem sie die Chancengleichheit unterlaufen, unterminieren sie die conditio sine qua non jeder sportlichen Praktik, sabotieren die Ermittlung des rechtmäßigen Siegers im Wettbewerb um den erfolgreichsten und elegantesten Körpereinsatz und suspendieren damit temporär auch die ludische Illusion: der Pfiff ertönt, die Bewegungen halten inne, die Uhr bleibt stehen. Werden sie vom Schiedsrichter bemerkt, ziehen Fouls zum einen disziplinarische Maßnahmen für den Akteur nach sich (je nachdem, ob sie „rücksichtslos“ oder „mit übertriebener Härte“ ausgeübt werden, eine Verwarnung oder einen Platzverweis), zum anderen die Kompensation des erfahrenen Unrechts am Ort des Vergehens in Form eines Frei- oder Strafstoßes für die gegnerische Mannschaft. Fouls stoppen den Bewegungsfluss und erzeugen Wendepunkte im Spielverlauf. Insofern erweisen sie sich in mehrerlei Hinsicht als transgressiv: Sie überschreiten die Grenzen zwischen Körpern und Regeln und durchbrechen die Illusion der Spielwelt. Ästhetisch eignet Fouls dadurch häufig ein distanzierendes Moment, zugleich tragen sie vielfach zur Dramatisierung von Spielverläufen bei und werden, auch durch die gesteigerte Aufmerksamkeit auf den (verletzten) Körper, von Spielern wie von Zuschauern als Momente besonderer emotionaler Intensität wahrgenommen.
Dem Foul im Fußball ist bislang aus geisteswissenschaftlicher Perspektive kaum Beachtung zuteil geworden. Dabei kristallisieren sich in ihm zentrale gesellschaftliche Diskurse und Praktiken. Der Workshop widmet sich dieser Forschungslücke aus interdisziplinärer Perspektive: In Zusammenarbeit von Sportwissenschaftlern, Philosophen, Soziologen, Ethnologen sowie Medien- und Literaturwissenschaftlern wirft die Veranstaltung einen neuen Blick auf das Foul als kulturelle Performanz.
Die Veranstaltung ist offen für alle Interessierten.
Programm
Donnerstag, 21. Juni 2018
Ort: vhs Erlangen (Friedrichstraße 19-21), vhs club INTERNATIONAL
- 12.30 Uhr
Sandra Fluhrer/ Teresa Hiergeist: Einführung - 13.00 Uhr
Gunter Pilz: Fair Play oder die Moral des fairen Fouls – über die Schwierigkeiten im Umgang mit dem ethischenPotenzial des Sports - 13.30 Uhr
Jürgen Schiffer: Das Foul im Fußball aus sportwissenschaftlicher Sicht – ein Gesamtüberblick - 14.30 Uhr
Julia Haß: Fußball, Körper und Geschlecht – sportethnologische Perspektiven auf das Foul und mit Blick nach Brasilien - 15.00 Uhr
Justus Heck: Die situierte Rechtsprechung des Sportschiedsrichters. Eine rechtssoziologische Analyse des Fußballspiels - 16.00 Uhr
- Oliver Ruf: Foulen. Zur medienästhetischen Störung
- 16.30 Uhr
Andreas Hütig: Die ‚Rationalität‘ des Foulens. Regelbrüche als Effekt - 17.30 Uhr
Stephanie Massicot: Schwaaalbe! Simulation!!! Ausdrücke und Emotionalisierungsstrategien zur Inszenierung des Fouls im Fußballkommentar - 18.00 Uhr
Tobias Fuchs: Foul und Fanatismus. Zuschauergewalt im europäischen Fußball der frühen Zwanzigerjahre - ab 19.00 Uhr
gemeinsames Abendessen und Public Viewing
Freitag, 22. Juni 2018
Ort: vhs Erlangen (Friedrichstraße 19-21), Aula
- 9.30 Uhr
Martin Gessmann: Schwalben im Fußball. Über den Aufschwung des Sports ins Virtuelle und Digitale - 10.00 Uhr
Julia Schöll: Der vierte Mann. Realität und Fiktion des Bildes im Videobeweis - 11.00 Uhr
Agnes Bidmon: „Die Hand Gottes“. Über Wahrheit und Lüge im sportethischen Sinn - 11.30 Uhr
Teresa Hiergeist: Die Kopfstoßlegende. Zur Sakralisierung des coup de boule in den Zidane-Biographien - 12.00 Uhr
Alexander Brand: Cantona vs. Suarez vs. Werner: Foulspiel und Regelbruch in europäisierten Fandiskursen - 14.00 Uhr
Robert Folger: Die Schwalbe und der Body in Pain: Inszenierungen des Schmerzes in der Simulation von Fouls - 14.30 Uhr
André Studt: Die Schwalbe als Schauspiel – theaterwissenschaftliche Perspektiven auf einen besonderen Moment fußballerischen Fehlverhaltens - 15.30 Uhr
Dirk Niefanger: Foul oder Gewaltverbrechen? Die Murat-Tragödie in Frank Goosens Roman Sommerfest (2012) und der Verfilmung von Sönke Wortmann (2017) - 16.00 Uhr
Abschlussdiskussion
Weitere Informationen und das Programm als Flyer gibt es hier .