Künstlerische Gastdozentur
Seit 2009 lädt das Institut für Theater- und Medienwissenschaft regelmäßig eine Persönlichkeit aus den Bereichen Theater, Performance und Bildende Kunst ein, mit den Studierenden in einen Austausch über Fragen der künstlerischen Praxis zu treten. Dabei werden Formate jenseits der universitären Vorlesungs- und Seminarstrukturen erprobt, die von einem dialogischen Austausch bis hin zu einem gemeinsam erarbeiteten Projekt reichen können.
Bislang waren am ITM zu Gast:
Im Sommersemester 2023 waren Ilia Papatheodorou und Sebastian Bark vom Performance-Kollektiv She She Pop für ein Projektseminar im Rahmen des MA Theater – Forschung – Vermittlung am ITM zu Gast.
She She Pop sind ein in Berlin ansässiges feministisches Performance-Kollektiv, das in den 1990er-Jahren aus dem Gießener Institut für Angewandte Theaterwissenschaft hervorging. Die Mitglieder verstehen sich als Autor:innen, Dramaturg:innen und Ausführende ihrer Bühnenhandlung. Das Einbeziehen der eigenen Autobiografie ist dabei vor allem Methode, nicht Zweck der Arbeit. She She Pop praktizieren eine Theaterform, die dem Experiment verpflichtet ist. Sie nutzen die Bühne als Ort der akuten Öffentlichkeit: Hier werden Entscheidungen getroffen, Gesprächsweisen und Gesellschaftssysteme ausprobiert, Sprech-Gesten und soziale Rituale einstudiert oder verworfen. She She Pop sehen ihre Aufgabe in der Suche nach den gesellschaftlichen Grenzen der Kommunikation – und in deren gezielter und kunstvoller Überschreitung im Schutzraum der Kunst. Das Theater wird zu einem Ort für utopische Kommunikation. Auch das Publikum erhält häufig eine besonder Funktion: Sämtliche Arbeiten von She She Pop sind auf ihre Weise Experimente oder Beweisführungen, die ohne Zeug:innenschaft ungültig würden.
Web: sheshepop.de
Im Sommersemester 2022 waren Nina Tecklenburg und Peggy Mädler vom Performance-Kollektiv Interrobang für ein Projektseminar im Rahmen des MA Theater – Forschung – Vermittlung am ITM zu Gast.
Interrobang sind Nina Tecklenburg, Till Müller-Klug, Lajos Talamonti und Partner:innen. Neue theatrale Partizipationsformen, Zukunftsforschung (Preenactment), politische und gesellschaftliche Aktualität, Humor, Digitalität, offene Dramaturgien, installative Hypertext-Systeme, selbstgebaute und programmierte performative Apparaturen, einfache Zugänglichkeit – seit der Gründung 2012 hat sich Interrobang eine eigenständige künstlerische Handschrift erarbeitet, in deren Zentrum die Zuschauer*innen als verantwortliche Akteur*innen stehen.
Nina Tecklenburg ist Performancemacherin und Theaterwissenschaftlerin. Als Ko-Regisseurin, Performerin und Dramaturgin realisierte sie seit 2002 zahlreiche Projekte und arbeitet mit unterschiedlichen Künstlern und Performancegruppen, u. a. mit She She Pop, Gob Squad, Lone Twin Theatre, Baktruppen, Rabih Mroué und Reckless Sleepers. Sie schreibt über Theater und Performance (u. a. in The Drama Review, Theatre Research International, Performance Research) und arbeitet als Universitätsdozentin.
Peggy Mädler hat Theater-, Kultur- und Erziehungswissenschaften studiert und im Fach Kulturwissenschaft promoviert. Als freie Autorin und Dramaturgin arbeitet sie mit verschiedenen Theatern, Regisseur*innen und Performancegruppen zusammen und lehrt an Kunsthochschulen und Universitäten.
Im Sommersemester 2021 waren der Autor Philipp Löhle und der Regisseur Jan Philipp Gloger für ein Projektseminar im Rahmen des MA Theater – Forschung – Vermittlung am ITM zu Gast.
Jan Philipp Gloger studierte Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen und Regie an der Zürcher Hochschule der Künste. Seit 2007 arbeitet er als freischaffender Schauspiel- und Opernregisseur. Seine Inszenierungen waren auf Festivals, wie den Ruhrfestspielen Recklinghausen, den Autorentheatertagen Berlin und dem Theater Festival Prag zu sehen und wurden vielfach ausgezeichnet. Seit der Spielzeit 2018/19 ist Jan Philipp Gloger Schauspieldirektor am Staatstheater Nürnberg.
Philipp Löhle ist einer der international meistgespielten deutschsprachigen Dramatiker seiner Generation. Er studierte in Erlangen unter anderem Theater- und Medienwissenschaft in Erlangen. Bereits während seines Studiums entstanden mehrere Theaterstücke. Eine langjährige Arbeitsbeziehung verbindet ihn mit Jan Philipp Gloger. Seit der Spielzeit 2018/19 ist Philipp Löhle Hausautor am Staatstheater Nürnberg und kuratiert zudem gemeinsam mit Chefdramaturgin Brigitte Ostermann die Internationale Reihe IMPORT/EXPORT.
Im Wintersemester 2017/18 zu Gast im Theater-Theorie-Labor #2 im Rahmen des Innovationsfonds Lehre, Vortrag von Milo Rau am 12. Januar 2017 im Experimentiertheater.
Was ist politisches Theater heute? Milo Rau und das IIPM – International Institute of Political Murder setzen sich mit den Fragen des Realen auseinander. Dabei geht es weniger um Dokumentarismus und einen Realismus des Dargestellten, als vielmehr um einen Realismus der Darstellung und der (Re)Präsentation. In ihrem Seminar stellen Milo Rau und IIPM-Dramaturg Stefan Bläske ihre Arbeitsweise und Projekte vor und diskutieren sie im Kontext aktueller Theater-Diskurse. Das Spektrum reicht von historischen Reenactments über Theater mit Kindern und geistig behinderten SchauspielerInnen bis hin zu Internationalen Gerichtsprozessen und politischen Aktionen.
Im Wintersemester 2016/17 und Sommersemester 2017 im Theater-Theorie-Labor #1 im Rahmen des Innovationsfonds Lehre.
In Zusammenarbeit mit der Performance-Künstlerin Lindy Annis und der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung (Cadolzburg) ist unter dem Arbeitstitel „DISTANT HISTORIES/STILL LIVES“ ein performatives Recherche-Projekt anlässlich der Wiedereröffnung der mittelalterlichen Cadolzburg bei Fürth als „Museum der Sinne“ im Juni/Juli 2017 realisiert worden, das die künstlerisch-wissenschaftliche Arbeit mit Zitaten, Posen, Klischees und die Frage nach dem Re-enactment als historiographischem Zugang zu vergangenen Körpern und Bildern ebenso wie die Frage nach (ästhetischer) Präsenz stellte, die in solchen Bildräumen entsteht. Dieses Projekt stellte die Frage nach dem Wissen des Körpers und dem Wissen um den Körper ebenso wie die nach Arten und Funktionen von Vermittlung zwischen den Zeiten und den Disziplinen.
Im Sommersemester 2012 zu Gast im Rahmen des Projektseminars „Bodies of Emotion“ (Prof. Bettina Brandl-Risi), Artist Talkam 30. April 2012 im Experimentiertheater.
We will explore museums, archives, public places, books, newspapers, magazines, the internet, and our own daily lives, collecting gestures, poses and body images of all kinds of emotions. We will share, compare, discuss, try on and try out what we find. What does it mean to perform and embody emotions we find in historically distant images of art history or in our friend’s Facebook account? Are they related? Where does the idea of a performative inventory of emotions lead us? How can we enact the archive of emotions? How can performance be understood as a method of thinking or research? This project is inspired by the art historian Aby Warburg’s work on emotions in art and the afterlife of images. We will use an introductory reading, watch some DVDs, look at a lot of images, take a lot of photographs, explore our own body language and work with the forms of installation and performance. We will start with individual projects and then develop small group projects with the possibility of a presentation on the last evening of the seminar.
Web: www.lindyannis.net
Im Sommersemester 2013 im Rahmen des Projektseminars „Voice(s) in performance“.
Even when thinking or talking about „voice(s) in performance“ only in theory, we do not do that independently of personal, bodily experience. This course will provide the opportunity to test this hypothesis by experiencing and challenging our own voices in performance, as well as discussing and contextualizing our experiences. We will have the unique opportunity to welcome David Moss as guest artist for this course. David Moss describes himself as „singer, percussionist, composer, performer, teacher, curator, improviser, theater-maker, actor…“ and is regarded as one of the most innovative vocal performers and percussionists of today. About the course, David Moss says: „Singing is a pleasure circuit of intellect, body, memory, air and the moment. Singing seduces and shapes time while it connects us with airwaves. We all do it. No ’singer‘ experience necessary, just bring your bodies and dwell in the shared moments of sonic creation.“
Im Wintersemester 2011/12 zu Gast im Rahmen der interdisziplinären Werkstatt „TextKörper“ in Kooperation mit dem Institut für Sinologie der FAU und dem Konfuzius-Institut Erlangen-Nürnberg.
Im Zentrum der Werkstatt steht das Theaterstück „Lebensansichten zweier Hunde“ des chinesischen Theaterautors Meng Jinghui, der darin das Schicksal zweier Wanderarbeiter in der Großstadt thematisiert. Ziel der Veranstaltung ist es, mit verschiedenen Gästen die unterschiedlichen Facetten des Textes Meng Jinghuis und seine Transformationen fächerübergreifend zu diskutieren. Der Autor und Regisseur Marc Becker wird von seiner Schreib- und Theaterarbeit berichten und so Einblicke in die Verbindungen von Impuls – Idee – Inszenierung bieten.
Weitere Informationen zu Marc Becker.
Im Sommersemester 2011 zu Gast mit einem Workshop zu ihrer Ausstellung „Rite de passage“ im Kunstpalais Erlangen(8. April bis 12. Juni 2011).
Objekte, Rauminstallationen, Kostüme und Bilder lassen in der Erlanger Ausstellung eine durchgehende märchenhafte Handlung erahnen. Mathilde Rosiers Werke erzählen allerdings nur scheinbar Geschichten aus vergangenen Tagen. Sie halten vielmehr die Zeit an und fordern durch ihre rätselhafte Beredsamkeit dazu auf, sie mit zeitgenössischen Bedeutungen zu füllen. In ihrer Performance-Arbeit lässt die Künstlerin in mystischen wie rätselhaften Aktionen unsere Sehnsucht nach Ritualen spürbar werden. Durch eine Kombination von Malerei, Musik und Theater konstruiert sie traumähnliche Situationen, die den Betrachter Raum und Zeitgefühl verlieren lassen. Gleichzeitig formuliert Mathilde Rosier innerhalb dieser von Empathie erfüllten Szenerien eine klare Analyse unserer Sehnsucht nach Zeremonien, nach deren Codes und Effekten. In ihrem Workshop wird sie über ihre künstlerische Arbeit und deren theoretischen und historischen Hintergrund sprechen und mit den Teilnehmer/innen diskutieren.
Im Wintersemester 2010/11 zu Gast mit einem Workshop, in Kooperation mit dem Festival ARENA… der jungen Künste 2011.
Treten wir in Dialog über den Dialog! Was ist ein Dialog, was unterscheidet ihn vom Monolog, vom Interview? Welche Bedeutung messen wir ihm bei, welche Hoffnungen legen wir in ihn, welches Chaos vermag er mitunter anrichten? Dialog ist Kommunikation, Kommunikation mit Anderen und Anderem. Worüber wollen wir reden, sollen wir reden, wie reden wir darüber? Welche Ideologien sind mit dem Dialog verknüpft, vielleicht schon Klischee? Welche persönlichen oder politischen Dimensionen kann der Dialog annehmen? Was passiert mit dem Zuschauer, wenn sich die Darsteller im Dialog einander zuwenden? Wird er unweigerlich zum Voyeur? Was tun mit der vierten Wand? Wo treten wir in Dialog? Verschiedene Formen sollen von den Teilnehmern gesammelt und erprobt werden… „innerer Dialog“, Interviewsituationen, Diskussionsrunden, politische Debatten… Eigene Ideen sind erwünscht! Ziel des Workshops ist, einen Weg zu finden, die Arbeit am Dialog nach außen zu tragen – in welcher Form, entscheiden die Teilnehmer (Hörspiel, Sound- installation, Dialog-“Aktivisten“ für eine Intervention des urbanen Raums… ).
Web: www.toxicdreams.at bzw. www.superamas.com
Im Sommersemester 2010 zu Gast mit einem Workshop, in Kooperation mit der Tafelhalle Nürnberg.
Erinnern an Text, Schrittfolgen und Absprachen sind nicht nur im Theater ein Gebot. Die Kultur geht aus von der Erinnerung und betrachtet das Vergessen als das Anormale. Das Vergessen ist so etwas wie eine Krankheit, dabei geschieht das Vergessen ganz natürlich, Erinnerung ist faktisch eine Leistung.
Und was ist so falsch am Vergessen? Wohl, dass es kein absichtliches Vergessen gibt. Schon die kleinen Aussetzer im Alltag, der verlegte Regenschirm, der Name, der nur auf der Zunge liegt, gibt eine Ahnung vom komplexen Vorgang des Versagens von Erinnerung und Gedächtnis. Dabei könnte man das Vergessenmüssen durchaus auch positiv verstehen. Vergessen macht frei für neues Handeln. Nur durch das Vergessen entsteht die Möglichkeit der totalen Erneuerung, die Fähigkeit, neu zu sehen. In dem Workshop wollen wir gemeinsam auf praktische Weise die Kunst des Vergessens als eine ars oblivionalis untersuchen.
Im Wintersemester 2009/10 zu Gast mit einem Projektseminar: „Die Zeit ist aus den Fugen – performative Strategien der Entschleunigung“.
Obwohl – oder weil? – das Vergehen von Zeit offenkundig ein allen performativen Künsten gemeinsames Kriterium ist, rückt dessen spezifische Erfahrbarkeit kaum in den Fokus künstlerischer Praxis. In dem Blockseminar sollen deshalb Arbeitsstrategien erörtert und erprobt werden, durch die Shakespeares berühmtes Hamlet-Zitat „the time is out of joint“ als performative Praxis lesbar wird. Unter Einbeziehung kompositorischer Ansätze in der Musik und mit Blick auf ein Konzept performativer Polyphonie konzentrieren wir uns dabei auf jene Entschleunigungspotentiale, die von der Bearbeitung von Klängen und (Video-) Bildern ausgehen können. Hierzu betrachten wir Bildfrequenzen, Pixeldichten, Sampleraten und andere (Wahrnehmungs-) Rasterungen medialer Speichersysteme, mit denen sich produktiver Unfug treiben läßt. Und wir untersuchen die Potentiale, die sich aus Material-Reduktionen und -Transformationen ergeben.
Web: www.losecombo.de