Symposium: »Krieg und Frieden – Konstruktion von Geschichte(n)«

In Sergej Prokofjews Oper „Krieg und Frieden“ wird mit Napoleons Russland-Feldzug ein Kapitel russischer und europäischer Geschichte verhandelt – ein geschichtliches Ereignis des frühen 19. Jahrhunderts, das von Tolstoi im späten 19. Jahrhundert mit fiktiven Figuren zum politisch-gesellschaftlichen Panorama erweitert und in Romanform neu erzählt wird, das ein halbes Jahrhundert später (wieder während eines Krieges und im Machtgefüge einer totalitären Diktatur) von Prokofjew zu einem Musikdrama vertont wird und das nun von Jens-Daniel Herzog und dem Nürnberger Ensemble neu auf der Bühne inszeniert wurde. Was geschieht mit diesem Stoff, wenn er dem Prozess von der Historie über den Roman und die Vertonung zur Inszenierung ausgesetzt wird? Welche neuen Schichten lagern sich auf jeder Stufe des Umgangs mit dem Stoff an? Jede Zeit und jeder Künstler entdeckt in dem Stoff eigene Aspekte, fügt Neues hinzu, setzt andere Schwerpunkte. Der künstlerische Prozess des Um- und Weiterschreibens von Ereignissen macht deutlich, dass bereits alles Wahrnehmen und Berichten immer schon subjektiv geprägt ist, Geschichte immer schon konstruiert ist. Zumal, wenn sie – wie im Fall von Prokofjews Vertonung – unter repressiven äußeren Bedingungen nacherzählt wird.

Diesen vielfältigen Konstruktionsprozessen von Geschichte möchten wir uns in einem Symposium zur Nürnberger Neuinszenierung von Prokofjews Oper „Krieg und Frieden“ widmen. Eingeladene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Geschichts-, Literatur-, Musik- und Theaterwissenschaft werden sich mit dem literarischen Kontext der tolstoischen Vorlage, dem historischen Kontext der Entstehungsgeschichte von Prokofjews Oper, mit den kompositorischen Besonderheiten und Prokofjews Ringen mit der Politik sowie mit den Herausforderungen und Chancen für eine heutige Inszenierung der Oper auseinandersetzen.

Eine  Veranstaltung des Staatstheaters Nürnberg in Zusammenarbeit mit dem Institut für Theater- und Medienwissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Veranstaltungsort: Gluck-Saal / Opernhaus Nürnberg.

Eintritt frei.

Programm

Samstag, 17. November 2018

14.00 Uhr
Begrüßung
Jens-Daniel Herzog, Staatsintendant, Staatstheater Nürnberg
Prof. Dr. Clemens Risi, Institut für Theater- und Medienwissenschaft, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

14.15-15.00 Uhr
Dr. Annika Täuschel (Bayerischer Rundfunk München)
Propagandainstrument oder Herzenssache? – Prokofjews Oper „Krieg und Frieden“: ein Werk zwischen den Fronten

15.00-15.45 Uhr
Prof. Dr. Georg Witte (Freie Universität Berlin)
Wie Lev Tolstoj die Geschichte verkleinert. Gedanken zu „Krieg und Frieden“

Das Staatstheater Nürnberg zeigt an diesem Abend zum letzten Mal„Krieg und Frieden“ von Sergej Prokofjew in der Regie von Jens-Daniel Herzog im Opernhaus. Vorstellungsbeginn ist um 18.00 Uhr. Karten gibt es im Vorverkauf und nach Verfügbarkeit an der Abendkasse.

Sonntag, 18. November 2018

11.00-11.45 Uhr
Prof. Dr. Julia Obertreis (FAU Erlangen-Nürnberg):
Musikalisches Schaffen im Stalinismus

11.45-12.30 Uhr
Prof. Dr. David J. Levin (University of Chicago):
Opernkrieg und Opernfrieden: Gedanken zu einer heiklen Mediengeschichte

Mittagspause

14.00-14.15 Uhr
„Kagda zhe reshylas‘ eta strashnaje dela“ (Arie des Kutusow aus dem 10. Bild von „Krieg und Frieden“) mit Nicolai Karnolsky (Bass)

14.15-15.30 Uhr
Gespräch über die Nürnberger Inszenierung von „Krieg und Frieden“
Staatsintendant Jens-Daniel Herzog und Dramaturg Dr. Georg Holzer im Gespräch mit Prof. Dr. Clemens Risi